Kürzung des Sachverständigenhonorars wegen fehlender BVSK Mitgliedschaft

KÜRZUNGEN SEITENS DER VERSICHERER

Nicht selten werden, gerade bei fiktiver Abrechnung und ohne Einschaltung eines Fachanwaltes für Verkehrsrecht, bei den Geschädigten willkürlich Kürzungen innerhalb der Reparaturkalkulation, bei Stundenverrechnungssätzen und dem Sachverständigenhonorar vorgenommen.

Der erste sich dann aufdrängende Gedanke bei den Anspruchstellern ist dann gerne: Da hat der Sachverständige anscheinend nicht gut gearbeitet. Ohne Aufklärung, Rücksprache, Argumentation und Kommunikation kann das schnell dazu führen, dass der Geschädigte auf seine Ansprüche zähneknirschend und unnötiger Weise verzichtet, gleichzeitig aber auch dem Sachverständigen ein weiterführender und wesentlich erheblicherer Nachteil widerfährt, da der Kunde von einer Weiterempfehlung absehen wird. Noch viel schlimmer äußert sich dieses unredliche Verhalten der Versicherungskonzerne, wenn der Experte dann, im Kreise der Freunde, Verwandten, Arbeitskollegen oder Sportvereine und Co, als nicht empfehlenswert (negative Werbung) „gebrandmarkt“ wird.

Im Zweifel sprechen Sie daher immer und immer wieder mit dem erfahrenen KFZ Sachverständigen Ihres Vertrauens!

Zu den derzeitigen Dauerbrennern bei den Kostenreduzierern von CarExpert, Logicheck, ControlExpert, Claims Controlling, Dekra und Co. gehört zweifelsohne die Behauptung, ein Sachverständigenhonorar wäre, entgegen ständiger Rechtsprechung, nicht an der BVSK-Honorartabelle zu bemessen, sofern der Sachverständige keine Mitgliedschaft beim BVSK nachweisen kann, sondern die Abrechnung müsse zeitgerecht und dabei nach eigenem Bemessen im Sinne eines gewöhnlichen Bürodienstleisters erfolgen.

Wir empfehlen unseren Kollegen und auch interessierten Anwälten unter anderem den Verweis auf das vorliegende Urteil aus dem Jahr 2023

Amtsgericht Otterndorf 2 C 294/22

 Verkündet am 29.03.2023
Richterin am Amtsgericht
als Richterin am Amtsgericht
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit

Klägerin
gegen

Beklagte
hat das Amtsgericht Otterndorf auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2023 durch die
Richterin am Amtsgericht für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 719,54 EUR Zug um Zug gegen
Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche gegen die Firma Autohaus
aus der Rechnung vom 12.07.2022 (Rechnungs-Nr. ) und aus
der Rechnung vom 12.07.2022 (Rechnungs-Nr. ) sowie Zug um Zug
gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche gegen das Sachverständigenbüro aus der Rechnung vom 22.06.2022
(210622140S) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2022 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von
86,63 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte nach einem Verkehrsunfall.
Am 18.06.2022 kam es auf dem Parkplatz des in Otterndorf zu einer Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs durch ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug, wobei der Unfall allein auf ein Verschulden des Fahrers des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs zurückzuführen war.
Die Klägerin beauftragte am 21.06.2022 das Sachverständigenbüro xxx mit der Schätzung des an ihrem Fahrzeug entstandenen Schadens (Anlage K1, Bl. 44 d.A.). Das Gutachten des Sachverständigen vom 22.06.2022 (Anlage K2, Bl. 10 ff. d.A.) beziffert die Reparaturkosten auf 3.424,92 € netto. Für seine Leistungen stellte der Sachverständige der Klägerin einen Betrag von 751,60 € in Rechnung (Anlage K3, Bl. 33 d.A.). Hierauf zahlte die Beklagte einen Betrag von 573,89 € und lehnte eine Zahlung im Übrigen ab. Das klägerische Fahrzeug wurde in der Folge bei der Firma Autohaus repartiert. Die Reparaturkosten beliefen sich ausweislich der Rechnung vom 12.07.2022 auf 4.076,15 € (Anlage K4, Bl. 37 ff. d.A.). Auf den Rechnungsbetrag zahlte die Beklagte an die Klägerin 3.941,68 € und lehnte eine weitere Zahlung ab. Für die Dauer der Reparatur ihres Fahrzeugs mietete die Klägerin bei der Firma Autohaus ein Fahrzeug an. Für die Anmietung von acht Tagen stellte ihr das Autohaus einen Betrag von 647,36 € in Rechnung (Anlage K10, Bl. 36 d.A.). Im Laufe des Rechtsstreits zahlte die Beklagte auf die Mietwagenkosten einen Betrag von 240,00 €. Nach dieser Zahlung hat die Klägerin die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen. Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie 719,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 86,63 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Hilfsweise beantragt die Beklagte, die Verurteilung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Rechnung vom 22.06.2022 (210622140S) sowie Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Rechnung der Autohaus vom 12.07.2022 (Rechnung-Nr. ) auszusprechen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Grundhonorar des Sachverständigen übersetzt sei.
Dieses sei im Übrigen nach dem Zeitaufwand zu berechnen und nicht anhand der Schadenshöhe. Die BVSK-Honorarbefragung sei als Schätzgrundlage ungeeignet. Auch die Höhe der Nebenkosten sei übersetzt. Die Kosten für Fotos und Schreibkosten seien durch das Grundhonorar abgegolten. Die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Verbringungskosten seien übersetzt. Entsorgungskosten seien nicht zu erstatten, da der Ersatzteilhändler die Entsorgung kostenfrei übernehme. Hinsichtlich der Mietwagenkosten seien lediglich 30 € brutto/Tag in Ansatz zu bringen, da es sich nicht um ein Selbstfahrervermietfahrzeug handele, sondern um einen Werkstattersatzwagen. Für diesen fielen geringere Kosten als bei einem herkömmlichen Mietwagen an. Im Übrigen sei die Schwacke Liste keine geeignete Schätzgrundlage.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Im Hinblick auf den unerledigten Teil der Klage steht der Klägerin gegen die Beklagte ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823 BGB bzw. §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG in Höhe von 719,54 € zu. Die Haftungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG liegen unstreitig vor.

1. Reparaturkosten

Was die Reparaturkosten betrifft, so hat die Klägerin gegen die Beklagte, nachdem sie ihr durch den Unfall beschädigtes Fahrzeug hat reparieren lassen, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 4.076,15 €, mithin in Höhe des der Klägerin durch die Firma
Autohaus mit Rechnung vom 12.07.2022 in Rechnung gestellten Betrages (vgl. Anlage K4, Bl. 37 ff. d.A.). Die übrigen geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 134,47 € sind als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen und daher von der Beklagten zu erstatten. Es kann dahinstehen, ob – wie die Beklagte behauptet – die Verbringungskosten übersetzt und Entsorgungskosten seitens der Reparaturwerkstatt nicht angefallen sind.
Denn selbst wenn der Vortrag der Beklagten insoweit zutreffend wäre, sind die von der Klägerin geltend gemachten Kosten als erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen. Als in diesem Sinne zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderliche
Kosten sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage, § 249 Rn. 12). Dem Geschädigten sind gemäß § 249 Abs.
2 S. 1 BGB auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne dessen Schuld durch unsachgemäße oder tatsächlich nicht durchgeführte Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt das sog. Werkstatt- und Prognoserisiko, falls den Geschädigten nicht ausnahmsweise
hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft (vgl. BGH, NJW 1992, 302, 304; AG Köln, Urteil vom 24.04.2015 – 274 C 214/14 – zitiert nach juris Rn. 21). Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB des Geschädigten (AG
Köln a.a.O.). Ebenso sind die begrenzten Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten zu berücksichtigen. Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995 – 9 U 168/94; AG Norderstedt, Urteil vom 14.09.2012 – 44 C164/12).
Die Ersatzfähigkeit von unnötigen Mehraufwendungen ist nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn dem Dritten ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, sodass die Mehraufwendungen dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind (LG Hagen, Urteil vom
04.12.2009 – 8 O 97/09; AG Düsseldorf a.a.O. Rn. 17). Dem Schädiger entsteht hierdurch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt verlangen kann (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995 – 9 U 168/94).
Die Klägerin hat vorliegend die Instandsetzungsarbeiten unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze veranlasst. Insbesondere ist die Klägerin im Rahmen ihrer Erkenntnismöglichkeiten wirtschaftlich vorgegangen und hat den Reparaturauftrag auf der Grundlage des Gutachtens des Privatsachverständigen vom 22.06.2022 erteilt. Sie hat bei der Auftragsvergabe das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachtet. Selbst wenn die Reparaturrechnung möglicherweise überzogen sein sollte, konnte sie dies bei der Auftragsvergabe nicht erkennen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Grundsätze des Werkstatt- und Prognoserisikos auch dann anwendbar, wenn die Klägerin die Rechnung der Reparaturwerkstatt nicht vollständig bezahlt haben sollte.
Zwar sieht der Bundesgerichtshof in einer tatsächlich gezahlten Rechnung eines vorgerichtlich zur Feststellung der Schadenshöhe tätig gewesenen Sachverständigen ein Indiz für die Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten, das bei einer noch nicht beglichenen Rechnung entfalle (BGH NJW 2018, 693, 694). Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht ohne weiteres auf die Anwendung des Werkstattrisikos bei einer noch nicht (vollständig) beglichenen Werkstattrechnung übertragbar, so dass dieser Umstand die von der Klägerin
dargelegte Erforderlichkeit des Wiederherstellungsaufwandes nicht in Frage stellt. Die Erforderlichkeit kann aus weiteren Indizien abgeleitet werden, die durch den Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO frei zu würdigen sind. Ein solches Indiz der Erforderlichkeit liegt hier vor, denn
die Klägerin hat den Reparaturauftrag auf der Grundlage eines zuvor von ihr eingeholten privaten Sachverständigengutachtens erteilt, in dem der Reparaturaufwand mit 3.424,92 € netto beziffert wurde. Ein solches Gutachten stellt eine sachgerechte Grundlage für die Höhe der zu
erwartenden Reparaturkosten dar, wenn es, wie hier, hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall aus der Perspektive eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH NJW 1989, 3009). Holt der Geschädigte daher ein Schadensgutachten ein und erteilt auf der Grundlage dieses Gutachtens einen entsprechenden Reparaturauftrag, so schlagen sich bereits in der Erteilung dieses Auftrags die eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder. Vor diesem Hintergrund stellen das Schadensgutachten, der auf dessen Grundlage erteilte Reparaturauftrag und die Rechnungsstellung hinreichende Indizien für den erforderlichen Herstellungsaufwand dar. Die im Rahmen des Werkstattrisikos mit den eingeschränkten Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten begründete Risikoverlagerung auf den Schädiger erfolgt vor diesem Hintergrund bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte sich auf der Grundlage eines Schadensgutachtens berechtigterweise für die Instandsetzung entscheidet und den Reparaturauftrag erteilt. Dann aber kann die Zuweisung des Werkstattrisikos an den Schädiger gerade nicht davon abhängen, ob der Geschädigte den in Rechnung gestellten Betrag bereits bezahlt hat oder nicht (vgl. auch LG Saarbrücken NJW 2022, 87, 88). Denn es würde grundsätzlich dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 1 S. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet
bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73). Soweit der Beklagte nunmehr im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens einwendet, dass die vom Reparaturbetrieb kalkulierten Verbringungskosten nicht nachvollziehbar seien, so kann dies nicht mehr dazu führen, der Klägerin als Geschädigter das Risiko möglicherweise überzogener Kosten aufzubürden. Insbesondere hatte bereits der Sachverständige in seinem Sachverständigengutachten (dort Seite 10) 180,00 EUR netto an Verbringungskosten kalkuliert. Der Klägerin kann nicht zugemutet werden, die Rechnung hinsichtlich sämtlicher Positionen auf ihre Richtigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Hierfür fehlt dem Geschädigten in der Regel schon allein die fachliche Kenntnis. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass für die Klägerin zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass die Reparaturwerkstatt unwirtschaftlich vorgehen würde. Gleiches gilt für die Position Entsorgungskosten.
Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung besteht dieser Zahlungsanspruch allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche, die der Klägerin ggf. ihrerseits aufgrund der etwaigen Vornahme nicht erforderlicher Reparaturarbeiten an dem beschädigten Fahrzeug gegen die Reparaturwerkstatt zustehen.

2. Sachverständigenkosten

Die Klägerin hat außerdem einen Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 177,71 €.
Die mit der Rechnung des Sachverständigen vom 22.06.2022 geltend gemachten Gutachterkosten waren von der Beklagten in Höhe der geltend gemachten 751,60 € zu ersetzen, also über die bereits gezahlten 573,89 € hinaus weitere 177,71 €. Ob und in welchem Umfang die Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, was aus Sicht eines verständigen wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint, wobei auf
den Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03).
Sofern der Geschädigte die Kosten der Schadensbeseitigung beeinflussen kann, hat er im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zu wählen (BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06). Bei der Geltendmachung von Kosten für ein Kfz-Sachverständigengutachten,
das ein Geschädigter in Auftrag gegeben hat, ist für die Grenze der Erforderlichkeit anerkannt, dass der Geschädigte selbst keine Marktforschung betreiben muss. Er muss insbesondere nicht verschiedene Angebote unterschiedlicher Sachverständiger vergleichen und hierunter den günstigsten auswählen (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 22.09.2009 – 3 C 3227/09). Dem Geschädigten kann daher der Einwand überhöhter Abrechnung durch den Sachverständigen von der Versicherung des Schädigers nur dann entgegengehalten werden, wenn für ihn erkennbar war, dass ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestanden hat. Dabei obliegt dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsschluss geforderten Preise. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15 m.w.N.).
Auch wenn die Klägerin mit dem Sachverständigen eine Vergütungsvereinbarung getroffen hat, hat eine Prüfung dahingehend zu erfolgen, ob die in Rechnung gestellte Vergütung unangemessen hoch ist. Wann die Kosten als erkennbar deutlich überhöht anzusehen sind und auf welcher Grundlage dann die tatrichterliche Schätzung vorzunehmen ist, wird unterschiedlich beurteilt.

Der Bundesgerichtshof hat es in seiner Entscheidung vom 26.04.2016 bei Kosten des täglichen Lebens, mit denen ein Erwachsener im Alltag üblicherweise konfrontiert wird und deren Höhe er typischerweise auch ohne besondere Sachkunde abschätzen kann, nicht beanstandet, die tatsächlich erforderlichen Kosten auf Grundlage des JVEG zu schätzen. Das Landgericht Stade hat in seiner Entscheidung vom 07.12.2015 die BVSK-Honorarbefragung 2013 seiner Überprüfung und Schätzung der erforderlichen Kosten im Direktprozess zwischen Sachverständigem und Schädiger zu Grunde gelegt.
Soweit die Beklagte vorträgt, das Grundhonorar sei nach Zeitaufwand zu bemessen und der BVSK-Befragung als Schätzgrundlage vorzuziehen, so wird diese Auffassung vom erkennenden Gericht nicht geteilt. Bei der Bemessung der Schadenshöhe müssen der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen und dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, Rz. 17). Welche Anknüpfungspunkte zugrunde gelegt werden, ist dem erkennenden Gericht nicht vorgegeben, sondern kann von dem erkennenden Gericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gemäß § 287 ZPO ermessen werden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Landgerichts Stade (Urteil vom 07.12.2015, Az. 1 S 12/15) erfüllt die BVSK-Befragung die Anforderungen hieran.
Die von der Klägerin vorgelegten, von dem Sachverständigen zur Berechnung seines Aufwendungsersatzanspruchs in seiner Honorarrechnung ausgewiesenen Pauschbeträge sind nicht als erkennbar übersetzt anzusehen. Sie bewegen sich hinsichtlich des Grundhonorars im HBV-Korridor der BVSK-Honorarumfrage 2022 (583 € bis 647 €).

Die von dem Sachverständigen abgerechneten Nebenkosten sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die abgerechneten Fahrtkosten sind mit 0,60 €/km nicht deutlich überhöht. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26.04.2016 Fahrtkosten von 0,70 €/km nicht beanstandet.

Auch die BVSK-Umfrage geht von Fahrtkosten von 0,70 €/km aus. Die einfache Strecke zwischen (Besichtigungsort) und (Sitz des Sachverständigenbüros) beträgt 23 km, so dass die abgerechneten 46 Km nachvollziehbar sind.

Auch hinsichtlich des 1. Satzes Lichtbilder liegt objektiv keine Überhöhung vor. Der Sachverständige hat 12 Lichtbilder gefertigt und pro Foto einen Betrag von 2,00 € in Ansatz gebracht. Auch das JVEG sieht in § 12 Abs. 1 Nr. 2 vor, dass pro Foto 2,00 € ersetzt werden. Es ist nicht erkennbar, dass der Sachverständige Lichtbilder des beschädigten Fahrzeugs gefertigt hat,
die zur Dokumentation des Schadens nicht erforderlich waren. Auch die Kosten für den 2. Satz Lichtbilder bewegen sich mit 0,50 € je Bild in einem üblichen Rahmen. Sowohl die BVSK-Umfrage als auch § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG sehen einen Betrag von 0,50 € je Foto des 2. Fotosatzes vor.

Hinsichtlich der Schreibkosten hat der Sachverständige pro Seite einen Betrag von 1,40 € in Rechnung gestellt, was bei 10 Seiten einen Gesamtbetrag von 14,00 € ergibt. Die Schreibkosten unterschreiten damit deutlich die 3,00 € pro Seite, die der Entscheidung des BGH vom 26.04.2016 zu Grunde liegen und dem Betrag, den die BVSK-Umfrage für Schreibkosten mit
1,80 € pro Seite angibt. Soweit die Beklagte meint, dass Foto- und Schreibkosten bereits im Grundhonorar enthalten seien, ist zu berücksichtigen, dass sowohl die BVSK-Honorarbefragung, als auch das JVEG die gesonderte Abrechnung dieser Position als Nebenkosten vorsehen und auch der BGH davon ausgeht, dass diese Positionen als Nebenkosten grundsätzlich
neben dem Grundhonorar geltend gemacht werden können.
Dass Kosten für Porto, Telefon und Auslagen tatsächlich angefallen sind, ergibt sich aus der Natur der Sache, denn es liegt auf der Hand, dass beispielsweise der Sachverständige das schriftliche Gutachten des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten nicht persönlich vorbeigebracht hat oder der Besichtigungstermin per Telefon abgesprochen worden ist. Dass der Sachverständige dies als Pauschale abrechnet, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. So sieht beispielsweise auch das RVG eine Post- und Telekommunikationspauschale vor, die von Rechtsanwälten unabhängig von der Höhe des tatsächlichen Anfalls in Ansatz gebracht werden kann. Dabei ist die Höhe von 15,00 € nicht zu beanstanden. Die Nebenkosten waren nach alledem für die Klägerin nicht erkennbar und deutlich überhöht,
so dass keine Kürzung veranlasst ist.
Allerdings besteht auch dieser Anspruch nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche der Klägerin gegen das Sachverständigenbüro aus der Rechnung vom
22.06.2022.

3. Mietwagenkosten

Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 407,36 €.
Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs durch die geschädigte Klägerin war dem Grunde nach erforderlich. Dies hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Das Gericht hält die Mietwagenkosten auch der Höhe nach für erforderlich im Sinne von § 249 BGB. Entsprechend der Rechtsprechung des OLG Celle, der sich das Gericht anschließt, hat das Gericht die Höhe der Mietwagenkosten auf der Grundlage des arithmetischen Mittels von
Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle gemäß § 287 ZPO geschätzt (vgl. zuletzt OLG Celle, Urteil vom 13.04.2016 – 14 U 127/15).
Unstreitig ist das beschädigte Fahrzeug des Klägers der Mietwagenklasse 05 zuzuordnen.
Demnach ergibt sich für einen Mietzeitraum von 8 Tagen nach Fraunhofer für das streitgegenständliche Postleitzahlengebiet 21 ein Betrag von 324,92 € und nach Schwacke ein Betrag Von 579,15 €. Daraus errechnet sich ein Mittelwert von 452,03 € und einem Tageswert von
64,58 €. Hochgerechnet auf den gesamten Mietzeitraum von 8 Tagen errechnet sich ein Betrag von 516,61 €. Hinzuzurechnen sind die Kosten für eine Haftungsreduzierung (CDW). Diese betragen ausweislich der Schwacke Nebenkostentabelle 21,87 € pro Tag. Außerdem sind die Kosten für
einen zweiten Fahrer hinzuzurechnen, die sich auf 11,37 € belaufen. Bei einer Mietdauer von 8 Tagen errechnen sich somit Nebenkosten in Höhe von 265,92 €. Dieser Betrag ist dem errechneten Mittelwert hinzuzurechnen. Von dem errechneten Mittelwert ist eine Eigenersparnis abzuziehen, die das Gericht auf 5 % (von 516,61 €) schätzt (vgl. auch OLG Celle a.a.O.), mithin 25,83 €. Insgesamt errechnen sich danach erstattungsfähige Mietwagenkosten in Höhe von 755,70 €. Nach Abzug der bereits gezahlten Mietwagenkosten in Höhe von 240,00 € verbleibt ein Betrag von 515,70 €. Schließlich ist irrelevant, ob es sich bei dem angemieteten Fahrzeug um ein Selbstfahrervermietfahrzeug handelt oder nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum einem Geschädigten als rechtlichen Laien die Pflicht auferlegt werden sollte, sich vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges über die Art und Weise der Versicherung des Ersatzfahrzeuges zu informieren. In der Regel wird einem rechtlichen Laien der Unterschied zwischen einem Selbstfahrervermietfahrzeug und einem gewerblich genutzten Fahrzeug nicht bekannt sein. Schließlich dürfte dem
Beklagtenvertreter aus einem vor dem hiesigen Gericht im Jahr 2021 geführten Regressprozess einer Kfz Haftpflichtversicherung gegen eine Autowerkstatt in Erinnerung sein, dass die Beweisaufnahme in jenem Verfahren ergeben hat, dass Werkstattersatzwagen für die Werkstatt, die das Fahrzeug für die Dauer der Reparatur an ihre Kunden gibt, in der Unterhaltung mitnichten günstiger sind als sog. Selbstfahrervermietfahrzeuge.
Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung besteht dieser Zahlungsanspruch allerdings ebenfalls nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche, die der Klägerin ggf. ihrerseits gegen die Werkstatt zustehen. Da dem Hilfsantrag der Beklagten insoweit stattzugeben war, erfolgt eine Klagabweisung im Übrigen.

4. Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, und zwar auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung in Höhe von 5.500,11 € zu. Insgesamt errechnen sich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 €, von denen die Beklagte bereits 540,50 € gezahlt hat, so dass insoweit ein Anspruch in Höhe von 86,63 € verbleibt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Stade, Wilhadikirchhof 1, 21682 Stade.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung
ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung
in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift
eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
Richterin am Amtsgericht